Es muss nicht immer Frankfurt sein. In Deutschland gibt es nämlich weitaus mehr Handelsplätze als gemeinhin angenommen. Mit der Berliner Tradegate Exchange ist sogar erstmal seit über 100 Jahre wieder eine neue Börse entstanden. Und dann sind da natürlich noch die alten Regionalbörsen, die teilweise eine Nische gefunden haben.
Börsen in Deutschland
- Erste Börsen in Augsburg und Nürnberg
- Neben Wertpapier- auch Devisenbörsen
- Tradegate Exchange neuer Handelsplatz
- Unterschiede bei Preisen
- Verschiedene Spezialisierungen
- Bei Börsen in Deutschland Handelszeiten beachten
- Außerbörslicher Handel als Alternative
Die Anfänge deutscher Börsen
Die erste deutsche Börse stand nicht in Frankfurt oder gar Berlin, sondern in Augsburg oder Nürnberg. Beide wurden 1540 fast zeitgleich gegründet, welche davon die ältere ist, wird von Quelle zu Quelle unterschiedlich angegeben. 1553 folgte die Börse in Köln. Die Nürnberger Börse schaffte es nicht in 20. Jahrhundert, die Nationalsozialisten machten den Börsen in Köln und Augsburg den Garaus. Deshalb gilt die 1558 gegründete Hamburger Börse meist als die älteste bestehende in Deutschland, wenngleich die Börse in Köln 1952 als Rheinische Warenbörse neugegründet wurde und dort wie in den Anfangszeiten Eier, Getreide und Kartoffeln gehandelt werden.
Denn an den ersten Börsen wurden keine Aktien gekauft und verkauft. In Köln waren es Waren, so wie heute wieder, in den Handelsstädten Augsburg und Nürnberg vor allem Wechsel, also Zahlungsverpflichtungen. Aktien waren noch nicht erfunden, als deren Vorläufer existierten Kuxe, Anteile an Bergbaugesellschaften, deren Inhaber im Gegensatz zu Aktionären aber mit ihrem Privatvermögen hafteten und gegebenenfalls Kapital nachschießen mussten.
Als erste Aktiengesellschaft im heutigen Sinn gilt die Niederländische Ostindien-Kompanie, die 1602 gegründet wurde. Denn der Fernhandel versprach riesige Gewinne, war aber auch sehr riskant. Der Zusammenschluss verschiedener Händler zu einer Gesellschaft verteilte das Risiko auf mehrere Schultern und bot außerdem die Möglichkeit, ein Monopol zu errichten. Auch die erste deutsche Aktiengesellschaft, die 1682 von Kurfürst von Brandenburg Friedrich Wilhelm gegründete „Handels-Compagnie auf den Küsten von Guinea“, war eine Fernhandelsgesellschaft
Welche Arten von Börsen gibt es?
Wer Börse hört, denkt vor allem an Aktienmärkte. Tatsächlich gibt es aber eine Vielzahl von Börsen. An Wertpapierbörsen werden im Regelfall nicht nur Aktien gehandelt, sondern auch Anleihen, Optionsscheine, Zertifikate und Fonds. Doch daneben gibt es noch weitere Börsenarten.
Bereits erwähnt wurde die Rheinische Warenbörse in Köln, an der landwirtschaftliche Produkte gehandelt werden. Daneben exitieren zahlreiche weitere, meist kleine Warenbörsen. Ein bedeutenderer Handelsplatz ist die European Energy Exchange in Leipzig, an der Versorgungsbetriebe und Industrieunternehmen Strom kaufen oder verkaufen können. Wichtiger als der Waren- oder Wertpapiermart ist allerdings der Devisenhandel, der mit Abstand größte Markt der Welt, an dem Währungen ge- und verkauft werden. Auch Versicherungen können an der Börse gehandelt werden, das gibt es allerdings fast nur bei Lloyds in London und – mehrere Nummern kleiner – an der Versicherungsbörse Hamburg.
Die wichtigsten Handelsgüter sind also:
- Wertpapiere wie Aktien und Anleihen
- Waren wie Getreide oder auch Strom
- Devisen
- Versicherungen
- Beteilungen wie Fonds
Daneben werden Börsen danach unterschieden, ob die Forderung sofort (Kassageschäft) oder in der Zukunft (Termingeschäft) erfüllt werden muss. Wer Aktien kauft, erhält diese innerhalb von zwei Tagen, bei einem Optionsschein liegt die Auslieferung dagegen weit in der Zukunft. Mitunter gibt es spezielle Terminbörsen wie die deutsch-schweizerische Eurex, teilweise werden an Börsen aber auch sowohl Kassa- als auch Termingeschäfte abgewickelt.
Welche Börsen gibt es in Deutschland?
Die Zahl der Börsen hat sich in Deutschland lange Zeit deutlich verringert. Am Ende des 19. Jahrhundert gab es noch 27 deutsche Wertpapierbörsen, nicht zuletzt durch Gebietsabtretungen als Folge des verlorenen Ersten Weltkriegs sank diese Zahl auf 21, Börsenstädte wie Straßburg und Danzig wurden aus dem Deutschen Reich ausgegliedert. Die Nationalsozialisten verringerten deren Zahl auf neun, nach der Schließung der Börsen in Leipzig und Breslau sowie der Wiedereröffnung der Börse in Bremen gab es in der Bundesrepublik acht Wertpapierbörsen. Diese Zahl stimmt bis heute, zählt man die seit 1999 von einer gemeinsamen Betreibergesellschaft unterhaltenen Börsen in Hamburg und Hannover getrennt. Zwar wurde 2007 die Bremer Börse erneut geschlossen, dafür wurde 2009 mit der Tradegate Exchange in Berlin erstmals seit 1861 wieder eine neue Börse in Deutschland gegründet. Somit gibt es in Deutschland diese Wertpapierbörsen:
- Frankfurt
- Düsseldorf
- Hamburg
- Hannover
- Stuttgart
- München
- Börse Berlin
- Tradegate Exchange, Berlin
Daneben gibt es weitere Börsen. Beispielsweise gehört zur Börse Hamburg auch eine Versicherungsbörse und eine Getreidebörse, in Leipzig gibt es eine Strombörse und in zahlreichen Städten Warenbörsen, vor allem für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Für Privatanleger interessant ist aber neben den Wertpapierbörsen vor allem die deutsch-schweizerische Terminbörse Eurex, an der Optionen und andere Derivate gehandelt werden. Ein weiterer bedeutender Handelsplatz für Termingeschäfte ist die Stuttgarter EUWAX, die aber keine selbständige Börse, sondern ein Segment der Börse Stuttgart ist. An der Börse in Hamburg werden auch offene und geschlossene Fonds, Beteiligungen und Lebensversicherungen gehandelt.
Wo am besten handeln?
Die meisten Broker bieten den Zugang zu allen deutschen Börsen. Vor allem die neugegründet Börse Tradegate Exchange in Berlin (nicht zu verwechseln mit der Börse Berlin) bietet oft günstige Bedingungen. So bietet der vor allem für Daytrader interessante Broker benk ein Inlandspaket, bei dem 100 Trades über Tradegate statt 15 bei der Wahl von Xetra als Handelsplatz im Preis inklusive sind, die Aktionärsbank verlangt beim Handel über die neue Börse besonders niedrige Entgelte.
Vor allem bei Nebenwerten kann es aber sinnvoll sein, den umsatzstärksten Markt auszusuchen, auch wenn es dort etwas teurer ist. Das muss nicht der Frankfurter Xetra-Handel sein, vor allem mittelgroße Unternehmen werden teilweise nur an der Börse des Heimatortes gehandelt, die Hamburger Getreide-Lagerhaus AG in Hamburg und die Berliner Aktiengesellschaft für Beteiligungen an der Börse Berlin.
Börsen in Deutschland Handelszeiten
Wie alle bedeutenden Handelsplätze haben auch die Börsen in Deutschland Handelszeiten. Der klassische Handel auf der elektronischen Plattform Xetra der Frankfurter Börse läuft von 8.00 bis 20.00 Uhr. Diese Handelszeiten gelten grundsätzlich bei allen sieben klassischen Wertpapiermärkten für den Handel mit Aktien, Anleihen können dagegen nur von 9.00 Uhr bis 17.30 gehandelt werden.
Eine Ausnahme ist die Tradegate Exchange in Berlin, hier kann von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr ge- und verkauft werden. Die Handelszeit für Anleihen endet auch hier schon um 17.30, beginnt aber bereits um 8.00 Uhr statt um 9.00 Uhr.
Außerbörslicher Handel als Alternative?
Außerbörslicher Handel wird, wie der Name schon sagt, ohne Einschaltung einer regulierten Börse durchgeführt. Teilweise führen Broker wie flatex auch die Tradegate Exchange noch unter dem Schlagwort „außerbörslicher Handel“, weil der Handelsplatz bis 2009 tatsächlich außerbörslich war und Kunden dieser Broker dort zu den gleichen Konditionen wie außerbörslich handeln können. Viele Broker bieten außerdem einen Direkthandel mit anderen Kunden. Werden beispielsweise zum gleichen Zeitpunkt 100 Deutsche Bank Aktien ver- und von einem anderen Kunden des Broker gekauft, werden die Wertpapiere direkt getauscht, ohne dass der Handel über die Börse läuft.
Daneben werden Derivate auch oft direkt mit dem Emittenten gehandelt. Das kann auch sinnvoll sein, wenn dort die gleichen Kurse gelten wie an der Börse. Differenzkontrakte (CFDs) werden sogar fast ausschließlich jenseits der Börsen gehandelt. Ein Kaufantrag geht entweder an einen oder mehrere Liquiditätsanbieter oder wird direkt vom Broker abgewickelt.
Grundsätzlich kann der außerbörsliche Handel eine gute Alternative sein, wenn die Kurse von einer regulierten Börse übernommen werden. Auch der Handel über Tradegate ist nicht schlechter als der über die Börse in Frankfurt oder eine Regionalbörse. Problematischer ist der Aktienhandel über unregulierte Handelsplattformen von Banken, allen voran die sogenannten Dark Pools, da der Handel hier sehr intransparent ist.
Fazit: Tradegate interessante Alternative zu Xetra
Vor allem die Tradegate Exchange in Berlin ist eine gute Alternative zum Xetra-Handel. Einzelne Titel werden ausschließlich an Regionalbörsen gehandelt. Auch bei Termingeschäften ist die Auswahl gering, Optionen werden vor allem an der Eurex oder der EUWAX der Stuttgarter Börse ge- und verkauft. CFDs und Zertifikate können auch direkt mit dem Emittenten gehandelt werden, teilweise treten auch die Broker selbst als Market Maker auf. Der Handel über unregulierte und intransparente Dark Pool ist für Privatanleger dagegen nur teilweise geeignet.
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